Ausgewählter Beitrag
VON DER FREUDE, SEIN LEBEN MIT MENSCHEN ZU TEILEN
Hallo, liebe Lesermenschen, erlaubt, dass ich mich kurz vorstelle: Ich heiße Molly und bin knapp fünf
Jahre alt. Meine Mama war eine 'Schäferhunddogge' und mein Papa ein
Bernhardiner; vielleicht auch umgekehrt, so genau weiß das keiner. Jedenfalls
bin ich ziemlich groß, wunderschön (zumindest finden das Herrchen und Frauchen)
und ehemaliger Tierheimschützling. Zwar habe ich keinen ellenlangen Stammbaum,
denn ich bin ja nicht reinrassig. Trotzdem ist alles an mir dran, was man als
richtiger Hund zum Leben braucht. 'Mischling' heißt das wohl (wenn man es nett
formuliert). Ich nenne es lieber "Hund ohne Rasse, aber dafür mit
Klasse".
Bis vor gut einem Jahr führte ich als verwöhnter Einzelhund ein angenehmes, nahrhaftes und
beschauliches Leben. Ich brauchte weder Leckerlis noch Tennisbälle oder
Streicheleinheiten, geschweige denn meine Lieblingsschlafplätze mit
irgendjemandem zu teilen – bis dann, eines Tages, mein an sich ganz
vernünftiges Frauchen plötzlich auf den absurden Einfall kam, diesen
paradiesischen Zustand zu beenden. „Hör zu“, sagte sie zu Herrchen, „ich finde,
unsere Molly wird für ihr Alter schon recht behäbig und faul. Was ihr fehlt,
ist ein Spielgefährte, der sie wieder auf Trab bringt.“ So ein Blödsinn! Und
dann kriegst du auch noch zu hören, sieh mal, das hier ist jetzt deine neue
Schwester, nun hab sie recht lieb. Aber ich glaube, zum besseren Verständnis
hole ich ein bisschen weiter aus.
Meine beiden Menschen hörten eines Morgens im Radio, dass in der Nacht vor dem Tierheim ein Korb
mit sechs Schäferhundwelpen abgestellt worden war. Lässt sich das denken- da
setzt einfach irgend so ein gewissenloser Strolch einen ganzen Wurf mit süßen
Babies aus! Frauchen wäre am liebsten sofort losgefahren, um eins davon zu
adoptieren. Aber dann kamen ihr doch ein paar Bedenken. Mehrmals in der Nacht
raus, Windeln wechseln und so weiter, das haben Beruf und Familie nicht
erlaubt. Also lieber etwas Ausgewachseneres, Stubenreines. Es dauerte dann noch
einige Wochen, weil erst Großherrchen und –frauchen, mit denen wir zusammen auf
einem Grundstück lebten, entsprechend bearbeitet und überzeugt werden mussten.
Schließlich kam der Tag X, und wir fuhren ins Tierheim. Über eine Stunde haben sie gebraucht, um sich zu entscheiden. Sie mussten sogar noch ein älteres Ehepaar buchstäblich aus dem Rennen werfen. (Ich sage, zum Glück für Bella, so haben sie meine kleine Schwester, die damals gerade zehn Monate alt war, getauft. Denn außer uns – das heißt außer mir! – hätte niemand diesen Irrwisch auch nur halbwegs bändigen können, so viele Flausen hatte die im Kopf. Von aufgefressenen Pantoffeln, verbuddeltem Spielzeug, zerfetzten Klopapierrollen und ähnlichem Schabernack will ich gar nicht reden). Endlich hatten sie ihre Wahl getroffen: Auch ein Mischlingsmädchen, diesmal Schäfer- und Afrikanischer Löwenhund. Die Rasse gibt es wirklich, nur hatten wir vorher noch nie davon gehört.
Als erstes wurde nun ein sogenannter Gassivertrag gemacht, gewissermaßen Hund auf Probe für ein
paar Stunden. Wir gingen zusammen spazieren, das war auch völlig in Ordnung,
und mir schwante überhaupt nichts Böses. Misstrauisch wurde ich erst, als wir
alle ins Auto – mein Auto, wohlgemerkt! – gestiegen und zu uns nach Hause
gefahren sind. Zwei Stunden lang haben wir uns im Garten beschnuppert,
herumgetobt, mit Stöckchen gespielt, und am Ende war ich total geschafft. Darum
verlief die Fahrt zurück ins Tierheim auch ganz friedlich; vor allem, weil ich
dachte, Gott sei Dank, jetzt geben wir sie wieder dort ab, und der Spuk hat ein
Ende. Aber denkste Puppe, so leicht wird dir das Leben nicht gemacht. Kurz
gesagt: Bella kam endgültig mit nach Hause. Ahnt Ihr, wie sauer ich in den
ersten vierzehn Tagen war – von wegen verwöhntem Einzelhund, nichts teilen
müssen und so weiter.
Aber eins muss ich sagen: Meine Menschen haben das ganz schön raffiniert eingefädelt; Politik der
kleinen Schritte, wennIhr versteht, was ich meine. Anfangs ließen sie Bella,
zumindest wenn ich dabei war, ziemlich links liegen (obwohl ich den Verdacht
hege, dass sich da hinter meinem Rücken so einiges zu deren Gunsten abgespielt
hat. Aber wie sagt man: Was ich nicht weiß, macht mich nicht bissig). Wir
wurden getrennt gefüttert. Zwischen unseren Schlaflagern stand eine Barriere,
die ich im Lauf der Zeit unauffällig, aber konsequent beiseite geräumt habe.
Für mich gab es immer ein Extraleckerchen, und überhaupt hatte ich das Gefühl,
so bedeutsam zu sein wie noch nie. Klar, dass mein Widerstand dabei immer mehr
dahin geschmolzen ist. Hinzu kam, dass alle anderen total skeptisch waren und
gesagt haben, das schaffen die nicht mit den zwei Hunden, das geht niemals gut.
Das wollte ich natürlich auf Herrchen und Frauchen nicht sitzen lassen, so viel
Solidarität muss sein. Außerdem hatte ich die Kleine zu der Zeit schon richtig
lieb, bloß zugeben mochte ich es noch nicht. Man hat ja auch seinen
Stolz.
Inzwischen ist das alles Schnee von gestern. Wir lieben, zanken und vertragen uns, wie es bei Geschwistern so geht. Bis zu einem gewissen Punkt ist der Unterschied zwischen Hunde- und Menschenkindern nämlich gar nicht so groß. Da die Kleine ständig Hunger hat und nie genug kriegen kann, hebe ich in meinem Napf immer einen Rest für sie auf, und manchmal überlasse ich ihr sogar ohne Knurren einen meiner Lieblingsknochen. Selbst Herrchens Büro (einst mein Allerheiligstes und Naschquelle ohne Ende) ist für sie nicht mehr tabu. Oft kann ich es selber kaum fassen, wie gutmütig ich geworden bin.
Manchmal denken unsere Menschen, sie hätten einen über den Durst getrunken, weil sie plötzlich alles doppelt
sehen: Zwei Leinen, zwei Qietschbälle, zwei Hundeschweife, die im selben Takt
wedeln, vier viel zu große Ohren, vier braune, erwartungsvolle Augen und
dergleichen mehr. Außerdem ähnelt Großherrchens früher so gepflegter Garten
inzwischen eher einer öden Steppenlandschaft – nichts mehr mit englischem
Rasen, üppigen Blumenbeeten und so, das kannste alles vergessen. Aber wir Hunde
sind voll glücklich dabei, und unsere Menschen haben längst begriffen, dass es
auf der Welt nichts Wichtigeres gibt. Wenn wir uns freuen, tun sie es nämlich
auch.
Liebe Lesermenschen, das war´s für heute zum Kennenlernen. Eigentlich ist es eine Rückblende,
denn Bella und ich sind mittlerweile seit vielen Jahren Hundeengel. Das heißt
aber nicht, dass wir am Leben unserer Menschen und derer, die nach uns kamen,
keinen Anteil mehr nehmen. Wir sehen jetzt alles nur von einer höheren Warte
aus. So können wir unserem geliebten Frauchen auch besser auf die Sprünge
helfen, wenn sie nun damit beginnt, ihre Erinnerungen an uns alle
aufzuschreiben. Also dann, bis bald!
Mit einem kräftigen Pfotendruck und einem herzlichen „WAU“!
FRÄULEIN MOLLY
Lebenslichter 09.11.2024, 16.16
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