Ausgewählter Beitrag
Neunzehn Zwei- sowie elf Vierbeiner waren eingeladen, und alle kamen. Die
meisten kannten sich vom Gassi gehen, da gab es keinerlei Probleme.
Mittags um eins ging die Party los und dauerte bis abends um zehn. Die
Hunde spielten Einkriegezeck durch den Garten, vergnügten sich auf dem Parcours
oder im Pool. Der wurde nicht nur zum Planschen, sondern auch als gigantischer
Trinknapf genutzt und musste alle halbe Stunde aufgefüllt werden. Dass sie
dabei ihren Spaß hatten, war nicht zu überhören, es wurde gequietscht und
gekläfft in sämtlichen Ton- und Stimmlagen.
Für die Tiere gab es ein eigenes Buffet. Mit Rücksicht auf Barny, der
wegen seiner IBD nicht alles futtern darf, bestand es aus exotischen
Fleischsorten sowie veganen und getreidefreien Leckerlis. Es wurde bis zum
letzten Krümel abgeräumt und Rikas Frauchen meinte, na hoffentlich schmeckt ihr
jetzt zu Hause noch ihr normales Futter.
Anscheinend hatten alle nur auf das Stichwort gewartet, denn
augenblicklich befanden wir uns mittendrin in einer heißen Diskussion über die
richtige Hundeernährung. Als dienstälteste Hundlerin hatte ich so einiges
beizutragen, und irgendwann sagte jemand, hör mal, du mit deinen Erlebnissen
und deiner Erfahrung solltest du wirklich ein Buch schreiben. Einen Ratgeber
für Hundefreunde, sowas in der Art. Bestimmt könntest du den Leuten allerlei
nützliche und hilfreiche Tipps geben!
Ja, das könnte ich, tue ich aber nicht. Einerseits, weil man meistens
doch nur tauben Ohren predigt. Da kann man noch so viel erzählen und erklären,
sich den Mund fransig reden – am Ende macht doch jeder das, was er will und für
richtig hält.
Das perfekte Beispiel sind unsere Nachbarn von schräg gegenüber. Als vor
anderthalb Jahren Max, ihr Westhighland-Terrier, starb, wollten sie eigentlich
keinen Hund mehr. Sie waren beide über siebzig, in dem Alter weiß man ja nie.
Wenn da was passiert, wer kümmert sich dann um das Tier? Nach einer gewissen
Zeit wünschten sie sich dann aber doch wieder einen neuen Hausgenossen. Ich
schlug vor, gemeinsam ins Tierheim zu fahren. Dort fänden wir sicher einen
netten Hund, der im Alter zu ihnen passt und zusammen mit ihnen einen schönen
Lebensabend verbringen könnte. Ich redete mit Engelszungen und pries die
Vorzüge eines gebrauchten Hundesenioren in den höchsten Tönen.
Sie schienen nicht abgeneigt, wollten es sich überlegen und ich freute
mich schon. Zu früh, denn ein paar Wochen später kamen sie mit einem
Westhigland-Terrierwelpen an. Empört berichteten sie, dass es erst im zweiten
Anlauf geklappt hätte, weil der erste Züchter ihnen aufgrund ihres
fortgeschrittenen Alters keinen Welpen mehr hatte verkaufen wollen. Da hatte
der Mann doch vollkommen recht, sagte ich. Seitdem ist unser Verhältnis ein
wenig abgekühlt.
Andererseits, weil die Welt keinen weiteren Hunderatgeber braucht. Die
sprießen seit Jahren wie Pilze aus dem Boden, in Bibliotheken füllen sie
meterlange Regale, auch das Internet quillt über davon. Dabei haben sie alle
ein gemeinsames Manko: Sie sind in der Regel sehr allgemein gehalten. Man
erfährt, wie man den Hund am besten ernährt, am sinnvollsten beschäftigt und am
erfolgreichsten erzieht.
DEN Hund gibt es aber nicht; glücklicherweise, möchte ich sagen. Hunde sind
Individualisten, keiner gleicht fellgenau dem anderen – ebenso wie kein Mensch
aufs Haar dem anderen gleicht. Das gilt für Rassehunde, die zwar nach
bestimmten Standards gezüchtet werden und dementsprechend eine Reihe von
Gemeinsamkeiten aufweisen. Doppelt gilt es für gebrauchte Hunde und solche mit
Migrationshintergrund. (Früher sagte man schlicht Auslands- oder
Tierschutzhunde dazu).
Der Secondhandhund aus dem deutschen Tierschutz hat dabei einen leichten
Heimvorteil. Du erfährst, wenn es gut läuft, wenigstens ein paar rudimentäre
Einzelheiten aus seinem Vorleben. Daraus kannst du dann zumindest ansatzweise
auf seinen Charakter schließen und entscheiden, ob er eventuell zu dir passt.
Vor Überraschungen bist du trotzdem nie sicher; erst recht nicht beim
rumänischen Straßenhund, der über lange Zeit sein Dasein in einer der
Shelterhöllen fristen musste, dem Ex-Häftling aus den italienischen Canili oder
der spanischen Perrera. Hier beginnst du quasi bei Null.
Wir sind mit unseren Regenbogenkindern Pit, Ajax 1, Ajax 2, Troll, Holly, Molly, Bella, Charly, Schnuppchen, Karlchen, Wendy I, Julchen, Bobby I und Barny, Woody, Lily, Wendy II und Ruby, sowie unseren -Gott sei Dank! - noch quicklebendigen Wegbegleitern Nelly, Bobby 2, Daisy, Jiny, Benny, Marny, Blacky und Lyly fünfundsechzig Jahre lang durch eine gute Schule gegangen. Mittlerweile sind wir ungefähr beim Kleinen Latinum angekommen und ich gebe unsere Erfahrungen gerne weiter. Wenn der eine oder die andere für den eigenen Liebling davon profitieren kann, soll mich das freuen. Na dann…!
Lebenslichter 18.03.2024, 17.52
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