Thema: TIERLIEBE - GELIEBTE TIERE
Es war herrlich! Ich tobte wie ein übermütiger Welpe durch den Wald und erkundete das Revier in sämtliche Himmelsrichtungen. Dabei dehnte ich meine Streifzüge immer weiter aus. Hatte ich erst die Witterung eines Kaninchens oder Eichhörnchens in der Nase, stellte ich meine Ohren automatisch auf Durchzug. Dann mochten die Großen noch so viel rufen oder pfeifen, ich sah und hörte nichts mehr. Irgendwann habe ich es wohl auf die Spitze getrieben. Als ich nämlich einmal nach von Frauchen gefühlten zwei Stunden wiederkam (in Echtzeit war ich höchstens fünfzehn Minuten lang weg gewesen), gab es weder Lob noch Leckerli. Frauchen sah mich nur stumm und böse an, nahm mich an die kurze Leine und führte mich wie eine Schwerverbrecherin ab nach Hause. Sie erzählte Herrchen davon, und gemeinsam schmiedeten sie einen perfiden Plan.
Ganz ehrlich, nie hätte ich gedacht, dass sie wegen so einer winzigen Eskapade gleich zu derart unfairen Mitteln greifen würden. Um es kurz zu machen: Sie verpassten mir eine Schleppleine! Das zehn Meter lange Nylonseil wurde an meinem Ranzen festgehakt. Am hinteren Ende gingen Frauchen oder Herrchen und dirigierten das Ding; jedenfalls nahm ich das an. Ich bin ein gescheites Mädchen. Ich sah ein, dass unter diesen Umständen ein Ausbruchversuch sinnlos wäre, und probierte es gar nicht erst. Die Großen waren sehr zufrieden und gratulierten sich zu ihrem genialen Einfall.
Ende gut, alles gut! Wirklich? Das erfahren Sie morgen.
Gute Nacht und auf Wiederlesen.
Haben Sie es
fein!
Ihre Nelly
Lebenslichter 09.01.2025, 16.12 | (0/0) Kommentare | PL
Kinder, wie die Zeit vergeht! Vier Monate lebe ich jetzt in meinem neuen Zuhause und mir kommt es vor, als sei ich schon immer hier gewesen. Meine beiden Menschen sind sehr verständnisvoll und geduldig. Frauchen hat mir „Platz“ und Pfötchen geben beigebracht, mit Herrchen habe ich „bei Fuß“ gehen geübt. Ich besitze eine gute Auffassungsgabe und lerne schnell. Seit drei Wochen darf ich im Wald frei herumlaufen, da machen die Spaziergänge gleich doppelt so viel Spaß. Auf der Straße bleiben wir Hunde natürlich angeleint, das ist einfach sicherer. Wir wohnen zwar in einer äußerst ruhigen Gegend mit nur wenig Autoverkehr, aber verrückte Raser gibt es ja überall. Besonders vor Motorrädern habe ich Angst. Wenn die mit ihrem Höllenlärm an uns vorbreibrettern, mache ich schon mal unvermutet einen Seitensprung.
Mein Rudelkumpel, der blonde Barny, und ich verstehen uns schon richtig gut. Er ist ein feiner Kerl, ich orientiere mich an ihm und er gibt mir Sicherheit. Sonst habe ich noch keine neuen Hundefreundschaften geschlossen. Ich weiche meinen Artgenossen lieber aus und gehe meiner eigenen Wege. Allerdings habe ich eine Lieblingsfeindin, aber die ist ein Kapitel für sich.
Frau T. kam uns schon bald besuchen, so wie sie es versprochen hatte, begrüßte mich herzlich und brachte sogar ein paar Leckerlis mit. Sie sah sich alles genau an, den Garten und das ganze Haus, und schien sehr zufrieden. Ich freute mich natürlich auch, sie zu sehen, war aber nicht weiter betrübt, als sie wieder ging. Inzwischen hatte ich Herrchen und Frauchen ja liebgewonnen und wollte nicht mehr zurück in die Pflegestelle.
So rückt meine traurige Vergangenheit in immer weitere Ferne. Nur manchmal werden schlimme Erinnerungen wach – zum Beispiel gestern. Da wurde morgens im Auslaufgebiet ein Hund vermisst. Es herrschte helle Aufregung, alle fahndeten nach dem Ausreißer. Der war hier nämlich nur zu Besuch und kannte sich im Revier nicht aus. Vermutlich hatte er ein Eichhörnchen, ein Kaninchen oder sogar ein Wildschwein gewittert, die Verfolgung aufgenommen und dabei die Orientierung verloren. Überall im Wald waren Rufe, Schreie und Pfiffe zu hören, wie ich sie von den rumänischen Hundefängern her kenne. Die kamen ja nicht nur in der Stille der Nacht. Manchmal trieben sie uns mit fürchterlichem Krach in die Enge, um uns so leichter einfangen zu können.- Mir war das alles zu viel, ich wollte nur nach Hause. Zum Glück hatte Herrchen ein Einsehen und brach die Runde vorzeitig ab. Wir holten sie mit Frauchen dann später nach.
Es dauert sicher noch eine Weile, bis ich mich ganz an ein normales Hundedasein gewöhnt habe. Aber wir lassen uns Zeit, und jeden Tag gewinne ich ein Stück Selbstvertrauen hinzu. Das Leben kann wunderschön sein!
Also dann, gute Nacht und auf Wiederlesen.
Haben Sie es fein!
Ihre Nelly
Lebenslichter 08.01.2025, 16.07 | (0/0) Kommentare | PL
Kurz und froh gesagt: Sie haben mich genommen! Es lief alles ganz leicht. Zugegeben, als Frau T. die Haustür aufmachte und die Beiden hereinließ, bin ich erst einmal erschrocken: So ein großer Mann, mindestens 1,90 m! Sie können sich denken, dass mir ein bisschen bange ums Herz war; bisher hatte ich von Männern ja nichts anderes als Fußtritte und Schläge kennengelernt. Vorsichtshalber legte ich mich vor dem Riesen auf den Rücken und präsentierte ihm mein Bäuchlein. Wenn er nur ein paar Brocken Hündisch konnte, dann würde er diese Demutsgeste schon verstehen. Ich kniff die Augen fest zu und wartete. Es dauerte gar nicht lange, bis er anfing, mir mit den Fingerspitzen vorsichtig die Brust zu kraulen. War das angenehm, von mir aus hätte er ewig weitermachen können!
Doch da hörte ich die Frau sagen: "So, jetzt bin ich aber auch mal dran!" Sie hatte sich bis dahin im Hintergrund gehalten, wohl um zu sehen, wie ich auf den Mann reagierte. Nun holte sie eine große Tüte mit Leckerlis hervor, und es dauerte nur eine Minute, bis wir zwölf uns um sie versammelt hatten. Das heißt nein, wir waren dreizehn, denn sie hatten noch jemanden mitgebracht: Einen hübschen, blonden Hundejungen, der sich wie selbstverständlich zu uns setzte. Ob sie den gegen mich austauschen wollten? Das hätte mir für ihn leidgetan, er gefiel mir nämlich ausgesprochen gut. Aber da irrte ich mich zum Glück.
Nachdem die Tüte mit den Leckereien leer gefuttert war, durften der Blonde und ich uns in aller Ruhe beschnuppern. Das taten wir ausgiebig, drehten gemeinsam ein paar Runden durch den Garten, und im Nu war das Eis zwischen uns gebrochen. Der Rest ist schnell erzählt: Es mussten nur noch einige Formalitäten erledigt und etwas Geld bezahlt werden, dann hieß es Lebewohl sagen zu Frau T. und meinen Pflegegeschwistern. Sie werden verstehen, ein bisschen wehmütig war mir dabei schon zumute. Ich hatte mich hier ja wohl gefühlt, und wer wusste denn, was mich dort draußen erwartete? Frau T. strich mir beim Abschied über den Kopf, wünschte mir viel Glück und versprach, mich bald besuchen zu kommen, um zu sehen, wie ich es getroffen hätte. Zum Dank für alles leckte ich ihr kurz die Hand und fuhr ihr mit der Zunge einmal quer übers Gesicht. Dann stiegen wir zu viert ins Auto, und die Reise in mein neues Leben begann.
Beim nächsten Mal berichte ich Ihnen mehr darüber. Also dann, gute Nacht und auf Wiederlesen.
Haben Sie es fein!
Ihre Nelly
Lebenslichter 07.01.2025, 16.10 | (0/0) Kommentare | PL
Über mein Dasein in Rumänien mag ich gar nicht viel erzählen. Brütende Hitze und klirrende Kälte, auf glühendem Asphalt verbrannte oder am Eis festgefrorene Pfoten; ewiger Hunger, Fressen aus Mülltonnen – falls die Stärkeren in der Gruppe etwas übriggelassen hatten – und ständig auf der Flucht vor den Hundefängern. Mich hatten sie schon erwischt. Zu meinem Glück kamen deutsche Tierschützer, kauften mich frei und brachten mich in ihre Hundeauffangstation. Dort wurde ich kastriert, erhielt meine offiziellen Papiere und durfte endlich ausreisen: Nach Deutschland in ein hoffentlich besseres Leben.
Das alles möchte ich liebend gern möglichst schnell vergessen. Aber Erinnerungen sind hartnäckig. Sie folgen dir überall hin, und die Angst vor grausamen Menschen bleibt. Ich erschrecke immer noch bei lauten Geräuschen, misstraue jedem Fremden, möge er mir noch so freundlich begegnen. Am meisten fürchte ich mich vor dunkel gekleideten Männern. Mein Frauchen (so nenne ich sie inzwischen; bis vor kurzem war sie bloß 'die Frau') wusste das. Sie hatte es in meiner Beschreibung auf der Tierschutzseite gelesen und zu 'dem Mann' (der mittlerweile mein Herrchen ist) gesagt: "Zieh dir am besten helle Kleidung an, wenn wir die Kleine kennenlernen, damit sie keine Angst bekommt." Das war wirklich rücksichtsvoll von ihr. Aber ich habe ja ein feines Gespür und merkte gleich am Geruch, dass er wohl einer von den Guten sein müsse. Ganz allmählich, in kleinen Schritten, lerne ich nun auch zu vertrauen; erst einmal nur den Beiden und ein bisschen der netten Tierärztin, alles Weitere findet sich.
Das genügt für heute, mir fallen schon wieder die Augen zu. Also dann, auf Wiederlesen.
Haben Sie es fein!
Ihre Nelly
Lebenslichter 06.01.2025, 19.51 | (0/0) Kommentare | PL
Als ich am
Dienstag frühmorgens aufgewacht bin, bekam ich einen Riesenschreck. Mein
rechtes Auge ging nicht auf und tat höllisch weh. So weh, dass ich ganz laut
gejault habe, was ich sonst nie tue. Frauchen ist dann gleich um halb zehn mit
mir zu unserer Tierärztin gefahren. Die hat sehr ernst geguckt und gemeint, das
müssen wir ausschaben. Och nee, dachte ich, nicht schon wieder!
Ich hatte das nämlich schon dreimal mitgemacht, und immer war es scheußlich. Das Problem ist mein schwaches Immunsystem, ein Andenken an mein früheres Leben als Straßenhündin in Rumänien. Da gab es nicht so gute und nahrhafte Sachen zu fressen wie hier. Jetzt päppeln wir mit homöopathischen Tabletten und bestem Futter meine Abwehrkräfte auf. Bis die richtig stark sind, bleibe ich eben anfällig und rufe ganz schnell "Hier!", wenn zum Beispiel Erkältungsviren verteilt werden. Dann schwellen die Lymphknoten in meinem rechten Auge, das wegen der Hornhautverletzung besonders empfindlich ist, stark an. Eklige Pickelchen entstehen da, so wie die kleinen Kerne auf den Erdbeeren. Sie können sich wohl denken, wie schmerzhaft das ist. (Wenn Ihnen schon mal ein paar Sandkörner ins Auge geflogen sind, wissen Sie, was ich meine.) Die müssen dann ausgekratzt werden, natürlich mit örtlicher Betäubung.
Die reichte diesmal aber nicht aus;
kaum hatte Frau Doktor mein Auge berührt, habe ich auch schon geschrien. Da hat
sie noch ernster geguckt und gesagt, dann müssen wir es wohl unter kurzer
Vollnarkose machen. Frauchen rief zu Hause an, und Herrchen kam auch in die
Praxis. Das Ganze hat nur ein paar Minuten gedauert, und nach einer halben
Stunde wusste ich schon wieder, wer und wo ich war. Jetzt heißt es, weiter
jeden Tag morgens, mittags, abends und vor dem Schlafengehen Augensalbe
schmieren. Darin haben wir schon wochenlange Übung und ehrlich gesagt, wir
finden es alle lästig. Aber wenn´s hilft…
In der Narkose habe ich viel buntes Zeug durcheinander geträumt: Von Rumänien, wie ich nach Deutschland gebracht wurde, von der Pflegestelle hier und wie ich in mein neues Zuhause kam. Am besten erzähle ich Ihnen das der Reihe nach. Aber erst morgen, jetzt bin ich müde. Das Schreiben ist ja noch ungewohnt für mich.
Also dann, auf Wiederlesen.
Haben Sie es fein!
Ihre Nelly
Lebenslichter 05.01.2025, 18.57 | (0/0) Kommentare | PL
Eines Tages geschah es. Meine Mama hatte Pit und mich zum Einkaufen mitgenommen. Vor der Drogerie band sie ihn an einem Fahrradständer fest, dann gingen wir in das Geschäft. Als wir zehn Minuten später wieder herauskamen, war der Hund verschwunden. Leine und Halsband hingen immer noch an dem Ständer, aber von Pit fehlte jede Spur. Er hatte es geschafft, seinen Kopf aus dem Halsband zu ziehen und war wieder einmal auf und davon. Wir konnten uns denken, wohin er gelaufen war und machten uns auf den Weg. Zu Fuß, versteht sich, ein Auto besaßen wir noch nicht. Als wir zur Lindenthaler Allee, einer auch damals schon recht belebten Hauptverkehrsstraße kamen, herrschte dort ziemliche Aufregung. Zwei Autos waren ineinander gefahren, vor dem einen lag ein kleiner Hund – unser Pit. Auf dem Weg zur geliebten „Ömi“ hatte er beim Überqueren der Straße wohl nicht auf die rote Ampel geachtet. Zum Glück war er nur leicht verletzt, er hatte lediglich ein paar Prellungen und ein verstauchtes Hinterbein davon getragen. Den Schaden an den Autos mussten natürlich meine Eltern bezahlen, damals dachte ja noch niemand an eine Haftpflichtversicherung für Hunde. Die geplante erste Urlaubsreise (sie sollte in den Schwarzwald gehen) wurde also noch einmal um ein Jahr verschoben.
Nach diesem Vorfall reichte es meiner Großmutter endgültig. Sie besprach sich mit meinen Eltern und setzte sich dann – vielleicht zum ersten Mal in ihrer Ehe – gegen meinen Großvater durch, indem sie Pit bei sich im Haus behielt. Ich war sehr traurig, dass ich mich von meinem Spielgefährten trennen musste; aber so viel verstand ich schon, um einzusehen, dass es für ihn das Beste war. Außerdem übernachtete ich jede Woche mindestens zweimal bei meinen Großeltern; und das Allerschönste war, dass der Hund dann bei mir im Bett schlafen durfte.
Pit starb ein halbes Jahr später. Nachmittags ging ich mit meiner Omi zum Stachelbeerpflücken in den Garten. Der Kleine lag neben meinem Sandkasten in der Sonne und döste; zumindest glaubten wir das. Als wir jedoch näherkamen und schließlich dicht vor ihm standen, rührte er sich nicht und zuckte mit keiner Wimper. Meine Omi schickte mich zurück ins Haus, um noch eine Schüssel für die Beeren zu holen. Sie ahnte wohl schon, was passiert war. Nachdem sie Pit aus der Sonne genommen und auf einen Stuhl im Schatten gelegt hatte, kam sie zu mir, nahm mich in die Arme und erklärte mir, dass der Hund keine Schmerzen gelitten hätte und einfach ganz friedlich eingeschlafen sei. Bald darauf kamen meine Eltern, und wir begruben Pit unter einem Klarapfelbaum. Ich bin mir sicher, er hat seine letzten Monate noch sehr zufrieden und glücklich verlebt.
Lebenslichter 04.01.2025, 19.05 | (0/0) Kommentare | PL
Eines Tages geschah es. Meine Mama
hatte Pit und mich zum Einkaufen mitgenommen. Vor der Drogerie band sie ihn an
einem Fahrradständer fest, dann gingen wir in das Geschäft. Als wir zehn
Minuten später wieder herauskamen, war der Hund verschwunden. Leine und
Halsband hingen immer noch an dem Ständer, aber von Pit fehlte jede Spur. Er
hatte es geschafft, seinen Kopf aus dem Halsband zu ziehen und war wieder
einmal auf und davon. Wir konnten uns denken, wohin er gelaufen war und machten
uns auf den Weg. Zu Fuß, versteht sich, ein Auto besaßen wir noch nicht. Als
wir zur Lindenthaler Allee, einer auch damals schon recht belebten
Hauptverkehrsstraße kamen, herrschte dort ziemliche Aufregung. Zwei Autos waren
ineinander gefahren, vor dem einen lag ein kleiner Hund – unser Pit. Auf dem
Weg zur geliebten „Ömi“ hatte er beim Überqueren der Straße wohl nicht auf die
rote Ampel geachtet. Zum Glück war er nur leicht verletzt, er hatte lediglich
ein paar Prellungen und ein verstauchtes Hinterbein davon getragen. Den Schaden
an den Autos mussten natürlich meine Eltern bezahlen, damals dachte ja noch
niemand an eine Haftpflichtversicherung für Hunde. Die geplante erste
Urlaubsreise (sie sollte in den Schwarzwald gehen) wurde also noch einmal um
ein Jahr verschoben.
Nach diesem Vorfall reichte es meiner Großmutter endgültig. Sie besprach sich mit meinen Eltern und setzte sich dann – vielleicht zum ersten Mal in ihrer Ehe – gegen meinen Großvater durch, indem sie Pit bei sich im Haus behielt. Ich war sehr traurig, dass ich mich von meinem Spielgefährten trennen musste; aber so viel verstand ich schon, um einzusehen, dass es für ihn das Beste war. Außerdem übernachtete ich jede Woche mindestens zweimal bei meinen Großeltern; und das Allerschönste war, dass der Hund dann bei mir im Bett schlafen durfte.
Pit starb ein halbes Jahr später. Nachmittags ging ich mit meiner Omi zum Stachelbeerpflücken in den Garten. Der Kleine lag neben meinem Sandkasten in der Sonne und döste; zumindest glaubten wir das. Als wir jedoch näherkamen und schließlich dicht vor ihm standen, rührte er sich nicht und zuckte mit keiner Wimper. Meine Omi schickte mich zurück ins Haus, um noch eine Schüssel für die Beeren zu holen. Sie ahnte wohl schon, was passiert war. Nachdem sie Pit aus der Sonne genommen und auf einen Stuhl im Schatten gelegt hatte, kam sie zu mir, nahm mich in die Arme und erklärte mir, dass der Hund keine Schmerzen gelitten hätte und einfach ganz friedlich eingeschlafen sei. Bald darauf kamen meine Eltern, und wir begruben Pit unter einem Klarapfelbaum. Ich bin mir sicher, er hat seine letzten Monate noch sehr zufrieden und glücklich verlebt.
Lebenslichter 03.01.2025, 18.23 | (0/0) Kommentare | PL
An unseren Allerersten, den "lütten Pit", erinnere ich mich eigentlich nur aus Erzählungen. Als ich zur Welt kam, war er schon ein paar Jahre alt. Nach ihrer Heirat hofften meine Eltern lange Zeit vergeblich auf Nachwuchs; dann eröffneten die Ärzte meiner Mutter, dass sie keine Kinder bekommen könne. Sie wünschte sich trotzdem etwas zum Liebhaben und Verwöhnen, also adoptierten sie den kleinen Mischlingsrüden aus dem Tierheim. Aber es heißt nicht umsonst: „Unverhofft kommt oft!“ Sie kam schließlich doch noch zum Kind – na ja, vielleicht nicht ganz wie die sprichwörtliche Jungfrau, nur für meine Eltern war ich tatsächlich so eine Art Überraschungsei.
In ihre Freude mischte sich ein Wermutstropfen: Sie mussten umziehen, denn das Zimmer, in dem sie bis dahin zur Untermiete wohnten, wäre für uns alle viel zu klein geworden. Außerdem hätte der Vermieter kein Baby im Haus geduldet. Das Hundchen hatte er gerade noch toleriert (wohl nur, weil Pit – für seine Rassenmischung eher untypisch – überhaupt kein Kläffer war und so gut wie niemals bellte); aber ein schreiender Säugling, nein danke! Für eine größere Wohnung fehlte ihnen, wie den meisten in den 50er Jahren, das Geld. Zwar hatte mein Vater als technischer Zeichner eine feste Anstellung beim Berliner Senat gefunden, aber fragt nicht nach der Bezahlung! Meine Mutter suchte seit Jahren vergeblich eine Arbeit als Hauswirtschaftslehrerin, und so blieb nur der Weg zurück in ihr Elternhaus.
Das Problem war: Mein Großvater (Opa K.) mochte überhaupt keine Hunde. Da er jedoch tagsüber im Büro und fast jeden Abend, sowie an den meisten Wochenenden, in der Kneipe saß, konnte man sich arrangieren. Meine Omi verliebte sich auf Anhieb in den kleinen Hund, und er hing abgöttisch an ihr. Die Leckerbissen, die sie ihm zusteckte, der Garten, das Plätzchen auf ihrem Sessel – für ihn waren es paradiesische Zustände. Aber bekanntlich kann man aus dem Paradies auch wieder vertrieben werden. Als mein Onkel J., der Bruder meiner Mutter, sein Abitur gemacht hatte und mit dem Studium begann, beanspruchte er die Mansarde für sich. Wir zogen also wieder um, damals war ich zwei Jahre alt. Da mein Vater inzwischen besser verdiente, durfte es diesmal eine etwas größere Wohnung sein. Dort gab es zwar auch einen Garten, den zu betreten allerdings unter „Todesstrafe“ stand.
Die Trennung fiel allen schwer – besonders meiner Omi und unserem Pit. Er war ein kleiner Hund mit einem großen Herzen, buchstäblich treu bis in den Tod. Er ließ nichts unversucht, um zu seinem geliebten Großfrauchen und ihren Blumenbeeten zurückzukehren und legte dabei sogar eines Tages den gesamten Straßenverkehr lahm. Darüber beim nächsten Mal mehr.
Lebenslichter 02.01.2025, 19.52 | (0/0) Kommentare | PL
Lebenslichter 31.12.2024, 18.12 | (0/0) Kommentare | PL
steht uns wieder bevor. Darin stimmen wohl die
meisten Menscheneltern von Fellkindern sowie alle, für die Tier- und
Umweltschutz mehr als nur leere Worthülsen sind, überein: Privates Feuerwerk an
Silvester gehört verboten. Viel zu viel Stress und Panik für unsere
Mitgeschöpfe, dazu unerträglicher Lärm und tonnenweise Dreck. Gar nicht
zu reden von Hunderten entlaufener Hunde und Katzen, verletzter und leider auch
toter Wildtiere und Vögel, die es am Neujahrsmorgen zu beklagen gibt – allesamt
Opfer unserer menschlichen Vergnügungssucht und Rücksichtslosigkeit.
Früher gab es bei uns auch ein Feuerwerk – letztmalig
vor 47 Jahren, als der Beste und ich uns verlobt haben - allerdings, im
Vergleich zur heutigen Massenböllerei, ein recht bescheidenes. Mein Papa hatte
am 31. Dezember Geburtstag, was für Familie und Freunde sehr praktisch war,
weil sie immer wussten, wohin sie zum Feiern gehen konnten. Papa war unser
Pyro… nein, nicht -mane, sondern -techniker. Um Mitternacht gab es eine kleine,
aber feine Show: Ein halbes Dutzend wirklich schöner Raketen, sowie zwei Sonnen,
die ihren Sternenregen versprühten. Dazu für jeden Gast eine Wunderkerze – das
war´s. Keine Kanonenschläge, Knallfrösche und wie diese unsäglichen Krachmacher
sonst noch heißen.
Natürlich spielte dabei auch das Geld eine große Rolle. Feuerwerkskörper waren damals um ein Vielfaches teurer, eine gute Sonne kostete allein schon um die zehn Mark. Heute bekommt man für zehn Euro ein halbes Munitionslager! Und was sind schon zehn Euro? In Rumänien immerhin knapp der Gegenwert von 15 Kilo Trockenfutter, von denen etliche Hunde im Shelter wochenlang leben müssen.
Heute gab es im Fernsehen einen Bericht: Da standen die Leute (viele von ihnen schon seit gestern Abend) vor den Toren eines Herstellers in Bremerhaven Schlange wie nach dem letzten Stückchen Brot - nur um bei Öffnung die Ersten zu sein, die sich mit Feuerwerk eindecken konnten. Wie es hieß, investierten die meisten zwischen 100 und 300 Euro, manche waren sogar vierstellig. Paradox: Überall hörst du sie jammern, dass sie ihre Miete nicht mehr zahlen und ihre Kinder nicht mehr gesund ernähren können, weil ja alles so teuer geworden ist; und hier verpulvern sie das Geld im wahrsten Sinne des Wortes.
In besagter Neujahrsnacht 1977/78 kam es zu einem
Zwischenfall. Unser damaliger Hund war Ajax, ein Dobermann-Schäferhundmix und
Papas erklärter Liebling. Umgekehrt galt dasselbe. Ajax hätte sich für sein
Herrchen in Stücke reißen lassen – und genau das wäre um ein Haar passiert!
Bevor wir alle nach draußen gingen, wurde jedem Gast eingeschärft, er möge
bitte die Haustür sorgfältig schließen und darauf achten, dass der Hund drinnen
bleibt. Leider hatte dann doch jemand nicht aufgepasst, und Ajax konnte entwischen.
Mein Vater hatte gerade eine Rakete angezündet, da stürzte sich der Hund auf
den schon brennenden Feuerwerkskörper und biss hinein - wohl um sein geliebtes
Herrchen vor dem zischenden Ungeheuer zu beschützen. Der Ärmste versengte sich
die Schnauze und büßte sämtliche Barthaare ein. Schlimm genug, aber es hätte
für ihn auch ganz anders ausgehen können. Danach gab es bei uns nie wieder ein
Feuerwerk.
Für meine Omi (wie sicher für viele alte Menschen) war die Böllerei besonders schwer zu ertragen. Beim Milleniumswechsel 1999/2000, als hier buchstäblich die Hölle losbrach, hielt sie sich die Ohren zu und sagte: "Siehst du, Kind, so hat es sich angehört, als nachts die Bomben fielen." An diesen Satz muss ich immer denken, wenn hier alljährlich am 31.12. um Mitternacht der Weltuntergang inszeniert wird.
In der heutigen Zeit empfinde ich es als besonders rücksichts-, empathie- und gedankenlos. Ich meine, es gibt Millionen Menschen, denen Tag und Nacht die Raketen und sonstige Geschosse um die Ohren fliegen; Menschen, die sich nichts sehnlicher wünschen als wieder einmal in Ruhe ohne Angst schlafen zu dürfen - und wir spielen hier Krieg. Wer das so toll findet, der möge dorthin fahren, wo er real geführt wird. Auswahl an möglichen Reisezielen gibt es genug.
Ich wünsche uns allen ein leises Neues Jahr. Möge uns der ganz große Knall noch eine Zeitlang verschonen.
Bildquelle:
Lebenslichter 28.12.2024, 14.00 | (0/0) Kommentare | PL